In Graz findet eine weitere anarchistische Büchermesse statt. Von 24. bis 26. Oktober 2025 ladet die Anarchistische Offline Bibliothek non grata dazu ein gemeinsam Fragen der Gewalt zu diskutieren.

Zwischen dem 24. und dem 26. Oktober 2025 findet die 4te Anarchistische Büchermesse in Graz statt. Wie in den letzten Jahren, wird die Book Fair auch diesmal unter einem spezifischen Thema laufen. Lokale und globale, historisch lange bestehende und sich gerade etablierende, strukturelle und akute Entwicklungen haben uns dazu bewogen Gewalt als Thema vorzuschlagen. Mit der Absicht durch die gemeinsame Diskussion unsere Kenntnis des Begriffs und unsere Analyse hinsichtlich ihrer Anwendung zu schärfen.
Über die Frage der Gewalt
Gewalt ist ein umfassender Begriff und kann vielfältige Formen annehmen: strukturelle, physische, psychische Gewalt, Gewaltverhältnisse in der Lohnarbeit, in der Ausbildung, in Beziehungen, im sozialen Umfeld, Repression durch stattliche Gewaltmonopole, usw. So unterschiedlich und vielfältig sich Gewalt ausdrücken kann – was ist all ihren Ausformungen gemeinsam? Vielleicht, dass es immer darum geht, dass die gewaltausführende Person, Gruppe oder Institution ihren “Willen” mit verschärften Mitteln aufzwingen möchte.
Die moralische Bewertung von Gewalt liegt im Auge des Betrachters: Ist es “schlechte” Gewalt, wenn die Fresse eines Faschos mit einer Faust zusammenstößt? Ist es “gute” Gewalt, wenn ein Staat die Demokratie (= Diktatur des Kapitals) und Freiheit (= Freiheit der Habenden) gegen Feind*innen von außen verteidigt, bei der zufälligerweise immer all jene ihren Schädel hinhalten müssen, die zu den Habenichtsen innerhalb ihrer eigenen “Schicksalsgemeinschaft” (aka Volk, Nation, Staat) gehören?
Anarchist*innen haben oft ein feines Gespür, wenn es um weniger “offensichtliche” (also physische) Gewaltverhältnisse geht und haben wie anti-autoritäre Linke und Liberale Methoden und Konzepte übernommen und weiterentwickelt, wie in der eigenen kleinen Welt möglichst “gewaltfreie” Situationen aufrechterhalten und durchgesetzt werden können. Awareness, gewaltfreie Kommunikation, Safe Spaces, der Wunsch, dass sich möglichst alle maximal “comfortable” fühlen können.
Allerdings kann eine seltsame Überschneidung beobachtet werden. Oft sind es jene, die oben erwähnte Methoden und Institutionen einfordern und propagieren, die gleichzeitig mit Vehemenz die Unterstützung von Staaten und noch-nicht-Staaten einfordern, die sich in der maximalen Form einer gewaltvollen Auseinandersetzung befinden, also im Krieg.
Aber natürlich… unterstützt werden soll ja nicht ein Staat, sondern das “Volk”. Das Volk – oder, um eine weniger anrüchige Bezeichnung zu verwenden, “die Bevölkerung” – ist allerdings Zwangs- und Gewaltverhältnis schlechthin indem sie als “Nation” zusammengefasst wird. Zudem wird mit diesen Begriffen eine “Schicksalsgemeinschaft” konstruiert, in der ein wesentliches strukturelles Gewaltverhältnis verschleiert werden soll: dass es in dieser Gemeinschaft Habenichtse und Habende gibt.
In Kriegen zwischen Staaten lieben Linksnationalist*innen, Liberale, und auch manche Anarchist*innen immer den kleinen (guten, demokratischen, antiimperialistischen) David, der sich gegen den großen (bösen, autoritären, imperialistischen, faschistischen, angreifenden) Goliath erhebt oder verteidigt. Diese Erzählung ist üblicherweise Grundlage der Propaganda aller beteiligten Staaten oder Supra-Staaten. Jeder fühlt sich als David, Goliath ist immer der andere. Dass aber jeder David insgeheim zum Goliath werden möchte, hat sich schon oft gezeigt. Der “biblische” David wurde übrigens – nachdem er Goliath mittels Steinschleuder ins Jenseits befördert hatte – zum König…
Wer dies nun als Aufforderung versteht stattdessen die andere Wange hinzuhalten und Angriffe passiv hinzunehmen sei daran erinnert, dass die genannten religiösen Metaphern selbst nur Mittel sind einer patriarchalen Zurichtung, gegen die wir uns täglich aufs Neue zur Wehr setzen müssen.
Unter anderem ist es die Entwicklung dieser Wehrhaftigkeit, die auf der Book Fair mit dem Mittel der Diskussion vertieft werden soll. Wer sich an diesen Diskussionen mit eigenen Beiträgen und Büchertischen beteiligen möchte, kann uns dies im Vorfeld gerne mitteilen.
Aber auch abseits groß angekündigter Vorträge freuen wir uns auf Situationen des freien Spiels und spontane soziale Dynamiken vor Ort. (Nichtsdestoweniger wäre es vermutlich sinnvoll wenn ihr uns im Vorfeld bezüglich Schlafplätzen etc. schreibt.)
Ach ja, und für all jene, die es nicht wissen: Der 26. Oktober wird vom österreichischen Staat jedes Jahr als nationalistisch-militaristisches Großereignis begangen. Der so genannte Nationalfeiertag dient stets der Zurschaustellung von militärischem Gerät. Wer sich in der Rolle des Verteidigers sozialer Werte unter der Fahne von Staaten sieht, für den oder die ist der Anblick dieser Geräte, der dazugehörigen patriarchalen Unterdrückungsinstitution mit ihren Befehlsketten und der dahinterstehenden Ausbeutungsmaschine vielleicht Anreiz die eigenen Kämpfe neu zu orientieren.
Kontaktiert uns gerne bezüglich Anreise, Schlafplätzen, Veranstaltungsort und genauem Programm! Und zwar via: nongrata@riseup.net
Weitere Informationen zu genauem Ort und Programm folgen in Kürze auch an dieser Stelle…